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3 Trainingseinheiten sind erst mal vollkommen ausreichend«

Fitness-Expertin Monique König über Calisthenics

Es klingt so leicht: Jeder kann Calisthenics-Übungen machen, ohne Gedanken an einen Trainingsplan oder einen Trainer. Ganz so leicht ist es nicht, wie die ehemalige Calisthenics-Athletin und heutige Trainerin Monique König im Interview erklärt. Aber sie ist überzeugt, dass jeder mit der Sportart das eigene Fitnessziel erreichen kann.

1. Calisthenics boomt zur Zeit. Ein Grund dafür ist, dass man für das Training mit dem eigenen Körpergewicht so gut wie keine Materialien braucht. Was sollte ich aber bereits im Haus haben, wenn ich mit Calisthenics beginne?

„Keine Materialien“ stimmt so nicht ganz! Je nachdem, was die Ziele des individuell Trainierenden sind. Um sowohl vereinfachte Übungen als auch Assistenzübungen für die Gesunderhaltung der Gelenke, insbesondere des Schultergürtels, ausführen zu können, benötigt es neben einer essenziell wichtigen Klimmzug-stange, die etwa an Türrahmen oder an Wand oder Decke angebracht werden kann, auch andere Dinge, wie beispielsweise Widerstandsbänder in unterschiedlichen Stärken. Nützlich sind außerdem Parallettes oder Equalizer, das sind Liegestützgriffe, die auf dem Boden stehen, während man daran Dips, Liegestütze oder Handstand machen kann. Statt der Dipvariante an Parallettes tun es zur Not auch zwei gleich hohe Stuhllehnen oder das Eck der Arbeitsplatte in der Küche. Mit viel Einfallsreichtum kann man gut improvisieren. Eine Klimmzug-stange ist allerdings unabdinglich.

Nur Calisthenics-Training zu betreiben, ist genauso einseitig und kann zu Dysbalancen führen wie bspw. Yoga oder Boxen. Variabilität ist wichtig. Die Nutzung von Kurzhanteln, Kabelzügen und Kettlebells ist anzuraten, um möglichst variationsreiche Bewegungen stattfinden zu lassen. Auch additives Beintraining mit Langhantel ist neben Bodyweight-Beinübungen zu empfehlen. Schweres Heben und Beugen sorgt für eine gute Balance zwischen Ober- und Unterkörper. Auf diese Weise ist ein ausgewogenes und gesunderhaltendes Training am besten möglich.

„Man soll Calisthenics nicht des Trends wegen machen, sondern weil man wirklich Lust und Spaß daran hat“

2. Welche Fitnessziele sollte ich haben, wenn ich Calisthenics mache, und für welche sollte ich vielleicht besser in ein Fitnessstudio gehen?

Das Wort „sollen“ ist bereits der falsche Ansatz. Man soll Calisthenics nicht des Trends wegen machen, sondern weil man wirklich Lust darauf und Spaß daran hat. Andernfalls ist das Risiko, schneller wieder weg von der Klimmzugstange zu sein, hoch. Da Erfolge, anders als im Gym, länger auf sich warten lassen, werfen viele, noch bevor sie Fortschritte machen konnten, das Handtuch. Um die Frage dennoch zu beantworten: Basics wie Klimmzüge, Dips und Push-ups sowie fortgeschrittene Übungen wie die Human Flag, der Muscle-up, Back Lever, Front Lever, die Planche oder der Handstand sind hervorragende Übungen für den Outdoorbereich an dafür vorgesehenen Calisthenics-Parks.

Für Beintraining empfehle ich das Gym. Auch Schwachstellentraining in Form von stabilisierenden Schultergürtelübungen im Reha- oder Präventionsbereich ist besser im Fitnessstudio auszuführen, da hier viel mehr Equipment zur Verfügung steht. Sollte ein voll ausgebautes Home-Gym dein Ziel sein, dann lege dir oben genanntes Equipment zu.

3. Anhänger von Calisthenics betonen immer wieder den individuellen Aspekt des Sports. Zeitaufwand, Ort und Schwierigkeitsgrad kann jede und jeder für sich selbst wählen. Wie viel Zeit sollte ich am Anfang pro Tag ins Training investieren?

Wer als Neuling ins Calisthenics-Training einsteigt, für den sind 3 Trainingseinheiten erst mal vollkommen ausreichend. Damit können sich Muskeln, Sehnen und Bänder erstmal an den neuen Belastungsreiz gewöhnen und vorzeitige Verletzungen vermieden werden. Zudem fährt man mit einem Ganzkörpertraining im Hypertrophiebereich (Belastungsbereich, in dem das Wachstum von Zellen stimuliert wird, wie beim Muskelaufbau, Anm. der Redaktion) sehr gut. Um sich in diesem Bereich zu bewegen, ist es nötig, Übungen zu wählen, die in einem Wiederholungsbereich zwischen 8 und 12 Wiederholungen liegen. Hier liegt der Fokus vorerst im Kraftaufbau. Sollte man es eilig haben, können hier bereits Vorübungen wie bspw. negative/exzentrische Pull-ups oder Dips ausgeführt werden, die sich zu Beginn in einem Wiederholungsbereich zwischen 3 und 5 Wiederholungen befinden. Solche schweren, regressiven Übungen bilden die Basics nach dem Warm-up.

Eine andere Möglichkeit bildet Split-Training. Dieses erfordert eine höhere Trainingsfrequenz und lässt gleichzeitig kürzere Einheiten zu. Ein Beispiel: Montag: nur Zugübungen wie bspw. Klimmzüge, Rudern im Schräghang oder Hangeln. Dienstag: Beintraining, Mittwoch: Rest-Day, Donnerstag: Druckübungen wie bspw. Dips, Push-ups, Überkopfdrückübungen. Freitag: Rest-Day, Samstag: Ganzkörper (Push und Pull), Sonntag: Rest-Day. Gesplittet werden kann vielseitig. Wie gerade beschrieben in ziehende und drückende Muskelschlingen, Bewegungsrichtungen wie horizontale und vertikale Übungen, Compound-Übungen wie Pull-ups oder Push-ups oder isolierte Übungen wie Bizeps-Curls in den Ringen beispielsweise. Auch in bilateraler, also beidseitige Belastung, z. B. durch Klimmzüge, und unilateraler, einseitige Belastung, z. B. durch einarmige Rudervarianten-Trainingseinheiten, kann unterteilt werden. Bei einem fortgeschrittenen Level kann es sogar Sinn machen, separate Skill-Work-outs einzubauen, statt diese nach dem Warm-up für etwa 20 min dem Haupttraining, bestehend aus Basics,vorzuschalten. Wichtig ist, dass jedes Bewegungsmuster mindestens zwei Mal die Woche trainiert wird, um ausreichend Reize zu setzen.

Trainingszyklen und Periodisierungen machen vor allem dann Sinn, wenn ein wettkampforientierter Calisthenics-Sport angestrebt wird.

4. Ein Punkt der Kritiker ist, dass besonders Anfänger dazu neigen, Übungen falsch auszuführen. Wie bemerke ich selbst, ob ich eine Übung falsch ausführe, und wo kann ich mir Tipps für die notwendige Korrektur holen?

„Kritiker“ meint sicher die Menschen, die bereits viele Jahre Erfahrungen im Cali-Game haben und/oder bereits eine Verletzung hinter sich bringen mussten. Nach nun fast 12 Jahren Calisthenics empfehle ich, sich selbst bei Übungen zu filmen, um direkt intervenieren zu können. Übungsvideos, ohne Erklärungen zu sehen, werden nicht dazu verhelfen es korrekt nachzuahmen. Eine verlässliche Quelle mit „Erklärbärvideos“ kann Fehler von vornherein vermeiden. Heutzutage kursieren KI-generierte, als Calisthenics-Training bezeichnete Work-outs im Internet, denen man nicht vertrauen sollte.

Besser sucht man sich wirklich kompetente Trainer, Experten auf deren Gebiet: Calisthenics-Trainer. Trainer, die einen gehaltvollen Instagram-/TikTok-Account und/oder YouTube-Kanal betreuen. „Gehaltvoll“ meint Beiträge, die wertvolle Informationen mitgeben, Tutorials beispielsweise. Calisthenics-Athleten, die ihren Sport beherrschen, sind noch lange keine guten Trainer, dessen sollte man sich bewusst sein. Auch Fitnessinfluencer, sog „Fitfluencer“, die sich dem Calisport verschrieben haben oder es hobbymäßig tun und mit ihrer Community teilen, würde ich nicht vertrauen. Fitfluencer kosten viele kompetente Calisthenics-Trainern ihren Job. Was entsprechend ärgerlich für diese ist. Entweder liest man ein professionelles Buch, besucht einen Workshop, angebotene Calisthenics-Kurse oder nimmt ein individuelles Calisthenics-Coaching mit Trainingsplanung in Anspruch. Geld in die Hand zu nehmen lohnt sich, wenn es darum geht, in die eigene Gesundheit zu investieren. Sollten kaum finanzielle Mittel da sein, schließe dich einer Cali-Gruppe in deiner Region an oder verfolge die Inhalte eines guten Calisthenics-Trainers auf Insta, TikTok oder YouTube.

5. Bleiben wir beim Thema richtige Ausführung. Zwei der wohl bekanntesten Übungen beim Training mit Körpergewicht sind Liegestütze und Klimmzüge. Wie sieht bei diesen Übungen die richtige Ausführung aus?

Klimmzüge und Liegestütze gehören zu den Compound-Übungen (mehrkettig) und involvieren mehrere Gelenke gleichzeitig. Durch den sogenannten Stack, auch Hollow-Body-Position genannt, ist der Core (Körpermitte/Rumpf) immer beteiligt. Außerdem arbeitet man auf diese Weise in einer guten Wirbelsäulenposition und ist weniger anfällig für Verletzungen.

Prinzipiell gilt, dass man bei den Übungen Varianten wählt, um vielseitige Reize zu setzen. Greife bei Pull-ups mal im Ristgriff, mal im Kammgriff (Chin-ups). Wähle bei Push-ups die eng gegriffene Variante (Diamond-Push-ups) oder führe sie in den Ringen aus. Sorge für Abwechslung!

Bei allen Übungen sollte das volle Bewegungsausmaß genutzt werden. Man spricht dabei von der„Full Range of Motion“.

Beginnen wir mit einem Klimmzug aus dem passiven Hang. Die Hände greifen die Stange etwa schulterbreit und die Daumen umschließen diese. Die Rumpfmuskulatur wird angespannt und die Initialbewegung mit der Aktivierung deiner Schulterblätter eingeleitet. Wenn man sich vorstellt, dass man bei der Bewegung die Stange in der Mitte bricht (Break the Bar), werden die Ellbogen eng am Rumpf gelassen und man arbeitet gelenkschonender. Die Rückenmuskulatur wird angespannt, damit der Nacken nicht die fehlende Kraft kompensieren muss und die Übung falsch ausgeführt wird.

Der Liegestütz folgt den oben genannten Positionen, nur dass hier die Brust und der Trizeps im Fokus stehen. Die Hände bilden im Langarmstütz eine Kraftlinie unter den Schultern. Die Finger sind gespreizt, die Zeigefinger zeigen auf 12 Uhr. Die Schultern werden nach unten gezogen und die Ellenbeuger nach vorn rotiert. Dadurch wird die Schulter in eine Außenrotation gebracht und der Schultergürtel stabilisiert. So bleiben die Arme beim Beugen nah am Rumpf und die Ellenbogen zeigen nach hinten. Die Hände bleiben fest auf dem Boden, während der Körper explosiv hochgedrückt wird. Die Unterarme sollten bei der Zurückbewegung (Druck nach oben – kraftüberwindende Phase) senkrecht nach oben zeigen. Eventuell ist es nötig, dich ein bisschen nach vorn zu lehnen. Probiere dich aus!

Das Wichtigste: „Quality beats Quantity!“ Andernfalls kann es schnell vorbei sein mit den Cali-Gainz.

„Es gibt viele tolle Partner- und Gruppenübungen“

6. Viele Menschen trainieren ungern allein. Gibt es auch Übungen, die man mit einem Partner ausführen kann?

Wenn der Spaßfaktor und nicht der individuelle Fortschritt im Fokus steht, kann man auch Übungen zu zweit oder gar zu mehreren ausführen. Zum Beispiel kann einer der Partner das nicht vorhandene Widerstandsband ersetzen, indem die nach hinten abgewinkelten Füße gehalten werden und die Bewegung beim Pull nach oben unterstützt wird. Auch beim Handstand kann man assistierend als „lebendige“ Wand fungieren.

Es gibt tolle Varianten von Partnerübungen, wie beispielsweise folgende: Zwei Trainierende stützen im Dipbarren, mit dem Gesicht einander zugewandt. Partner A führt einen Dip aus, während Partner B zeitgleich den L-Sit hält. Der L-Sit ist eine Ausgangsstellung vieler Calisthenics-Übungen am Barren. Dann führt Partner B einen Dip aus, während Partner A den L-Sit hält. Dann wechseln wieder die Rollen. Partner A führt zwei Dips aus, während Partner B den L-Sit hält und umgekehrt. Eine aufsteigende Wiederholungsleiter mit beliebig vielen Wiederholungen ist hier denkbar.

Als Gruppenchallenge kann beispielsweise ein Liegestütz‚ „Sally“ ausgeführt werden. Dazu wird der Song „Flower“ von Moby abgespielt. Der Songtext „Bring Sally up, bring Sally down“ gibt den Rhythmus der Auf-und-ab-Bewegung vor. Da Liegestütze ganz schön heavy sind, können auch andere Übungen wie Kniebeugen gewählt werden.

Es gibt viele weitere tolle Partner- und Gruppenübungen. Der Fantasie sind hierbei keine Grenzen gesetzt.

7. An vielen Orten gibt es Fitness- und Calisthenics-Parks. Das birgt natürlich den Verdacht, dass es Qualitätsunterschiede gibt. Was zeichnet einen guten Park aus?

Es gibt gute und schlechte Parkhersteller. Parkhersteller, die selbst aus dem Sport kommen oder eng mit Calisthenics-Athleten zusammenarbeiten, sind natürlich die bessere Wahl.

Wichtig sind Klimmzugstangen in verschiedenen Höhen, damit unterschiedlich große Menschen beim Aushängen nicht den Boden berühren. Auch brusthohe oder knietiefe Stangen machen Sinn, um dort entweder Rudervarianten oder erhöhte Liegestütze ausführen zu können. Auch unterschiedliche Umfänge der Stangen sind gut, um beispielsweise mit dickeren Stangen mehr Griffkraft aufbauen zu können. Die Unterarme sind das schwächste Glied beim Liegestütz, weshalb eine gute Griffkraft mit einer besseren Liegestützleistung einhergeht.
Auch Dipbarren mit verschiedenen Abständen oder konisch zueinander zulaufenden Holmen sorgen dafür, dass jeder Sportler seine individuelle Dipbreite einnehmen kann. Diese sollten zudem in ausreichender Höhe sein, damit die Beine gestreckt bleiben können.

In den Boden eingelassene Parallettes sind nice to have, um keine eigenen mobilen Parallettes mitnehmen zu müssen. Auch hier muss die Breite allerdings stimmen. Diese ist bei mobilen Parallettes durch zwei voneinander unabhängige Griffe individuell zu setzen.

Eine frei stehende Stange, losgelöst von anderen Stangen, ist hervorragend geeignet für Freestyle-Athleten. Durch ihre teils schwungvollen, dynamischen Bewegungen brauchen sie viel Platz nach vorn und hinten. Eine Monkey-Bar ist prima geeignet zum Hangeln und eine Sprossenwand kann genutzt werden, um daran die Human Flag zu üben. Fest installierte Ringe sind meist aus Metall, zu dünn und zu weit auseinander. Hier sind besser die eigenen Holzringe mitzubringen. Auch Plattformen verschiedener Höhen können gut genutzt werden. Beispielsweise für erhöhte Push-ups oder Box-Jumps zum Daraufspringen.

Vielen Dank für das Interview!
Lukas Rummeny

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