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»Dünger für Körper und Geist«

natürlich HAMM Frühling 2023 – Seite 26

Rubrik: Aus Praxis & Region

Autor: Lukas Rummeny

Wer im Garten arbeitet, hilft nicht nur den Pflanzen

Wenn der Frühling kommt, erwacht das Leben. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage fällt besonders dann auf, wenn wir, bei den ersten warmen Sonnenstrahlen, auf die Wiesen und Wälder, Gärten und Beete schauen. Überall fängt wieder das Blühen und Sprießen an. Das lockt auch viele Hobbygärtner in die heimischen Grünanlagen. Viele unterstützen damit nicht nur die Pflanzen, sondern auch ihre eigene Gesundheit.

In den letzten Jahren hat sich unsere Arbeitswelt, in kurzer Zeit, so sehr verändert wie selten zuvor. Ein Trend, der aber in Deutschland schon länger zu beobachten ist und den Arbeitstag von den meisten von uns bestimmt, ist der Weg ins Büro. Eine Mehrheit der Berufstätigen arbeitet am Schreibtisch, blickt auf Bildschirme und bewegt sich zu wenig. Viele finden deswegen ihren Ausgleich in der Gartenarbeit. Gerade in den ersten Tagen, in denen die Temperaturen wieder mehr ins Angenehme steigen, sind viele motiviert, wieder zu gärtnern. Dabei merken sie, dass sie sich selbst etwas Gutes tun. Ein Grund dafür liegt in der Umgebung. Im Gegensatz zum Büroalltag sind wir bei der Garten­arbeit gezwungen, an der frischen Luft aktiv zu sein. Das merken auch unsere Atemwege und unsere Lunge. Genauso, wie wir manchmal die Fenster öffnen, um einen Raum zu lüften, so lüften wir auch unsere Lunge und Bronchien, wenn wir uns draußen aufhalten. Ballast, der sich vielleicht zuvor in unseren Atemwegen festgesetzt hat, wird dann gelockert und verlässt den Körper mit der Atemluft.

Das hört sich jetzt sehr simpel an. Ist es auch, aber es ist v. a. effektiv. Mehrere Studien haben festgestellt, dass wir unser Atmungsvolumen um etwa 50 Prozent steigern, wenn wir uns längere Zeit draußen aufhalten. Das Ergebnis fällt umso positiver aus, wenn wir dabei noch aktiv sind.

Fürs Herz und andere Muskeln

Das Lüften geschieht aber, sobald wir die Haustür verlassen. Von der Gartenarbeit war dabei noch nicht die Rede. Beschäftigen wir uns mit dieser, fällt auf, dass es sich um eine ganzheitliche Tätigkeit handelt. Das ständige Heben, Schieben, Bücken und Graben beanspruchen die gesamte Muskulatur. Darunter fallen auch die Muskelregionen des Körpers, die sonst weniger beansprucht werden und zu Verspannungen und Blockaden neigen. Sie lösen sich bei anhaltender oder immer wiederkehrender Gartenarbeit, wodurch Schmerzen vorgebeugt wird. Muskuläre Schmerzen, die uns schon länger plagen, werden gelindert. Das liegt an den mittelanstrengenden Bewegungen, die für ein behutsames Dehnen sorgen und den Muskel wieder aktivieren.

Die Beanspruchung der gesamten Muskulatur bedeutet auch eine längere Belastung für unser Herz-Kreislauf-System. Laut aktuellen Studien entspricht Gartenarbeit einem mittelschweren Kardiotraining. Der gesamte Herz-Kreislauf-­Prozess befindet sich dabei für längere Zeit in einer erhöhten Frequenz, die aber nicht besorgniserregend ist. Sie ist sogar sehr förderlich und kann mit einem Muskeltraining verglichen werden. Eine andauernde, aber nicht intensive Belastung der Muskulatur sorgt auch für Wachstum entsprechender Partien und den möglichst langen Erhalt der Muskelkraft.

Dieses „Training“ fördert auch den Stoffwechsel. Schadstoffe in Venen und Arterien (z. B. Cholesterin) werden vermehrt abgebaut, wodurch wieder mehr Platz für Blutkörperchen, Plasma und Nährstoffe entsteht. Das sorgt dafür, dass das Herz für dieselbe Menge Blut weniger arbeiten muss und somit der Blutdruck gesenkt wird. Diese positive und gesundheitsfördernde Auswirkung kann bereits geschehen, während wir Blumen pflanzen, das Beet umgraben oder den Rasen mähen.

Entspannen mit schmutzigen Fingern

Wer wissen möchte, was Gartenarbeit mit Entspannung zu tun hat, der kann die Krimiabteilung in der Buchhandlung aufsuchen. Nein, es geht nicht um die vermeintliche Entspannung, wenn man die sterblichen Überreste eines gehassten Menschen vergräbt. Ebenso ruft die Gewissheit, dass der Gärtner der Mörder sei, bei echten Genre-Fans eher Langeweile als Beruhigung hervor. Nein, gemeint ist der „talentierte“ Tom Ripley, die berühmteste Titelfigur der US-Schriftstellerin Patricia Highsmith. Der Kleinkriminelle, der zum Mörder wird, findet Entspannung, wenn er sich mit seinem Garten beschäftigt. Anstatt also den Gärtner zum Mörder zu machen, wird hier der Mörder zum Gärtner gemacht, damit er zur Ruhe kommt.

Tatsächlich reicht der Aufenthalt in diesem kleinen Stück Natur schon aus, um uns auf andere Gedanken zu bringen. Im Laufe des Jahrs bietet der Garten unterschiedlichste Gerüche und ein abwechslungsreiches Farbenspiel, weswegen unsere Sinne ausreichend Wege finden, um Entspannung hervorzurufen. Die mannigfal­tigen Eindrücke entlasten unsere Aufmerksamkeit und sorgen für eine wohltuende Defokussierung.

Diese Wirkung geht ins Meditative, sobald zu den Eindrücken für Nase und Auge auch die Hände ins Spiel kommen. Die Synapsen in Fingern und Handflächen nehmen vieles auf einmal wahr, was sie ansonsten nicht zu fühlen bekommen. In vielen unabhängigen Untersuchungen ist festgestellt worden, dass besonders die Arbeit mit der Erde eine intensive meditative Wirkung hat. Wer also häufig pflanzt, umgräbt, Wurzeln zieht usw., entspannt besser und wird zufriedener.

Es ist zwar ein Nebeneffekt, aber Gartenarbeit ist gut für uns. Von der Umgebung, über die Tätigkeit bis hin zu den Dingen und Stoffen, die unsere Sinne aufnehmen, tun wir unserem ­Körper mehrere gesundheitliche Gefallen. Der ganzheitliche Ansatz, der sowohl Psyche als auch Physis fördert, zeigt, dass in Gartenarbeit auch ein wichtiger Dünger für Körper und Geist liegt.