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»Auf die eigene Atmung hören«

natürlich HAMM Herbst 2021 – Seite 10 – Lesezeit: ca. 6,5 Minuten

Rubrik: Titelthemen

Autorin: Meike Jänsch

Auf die eigene Atmung hören

Wie bewusstes Atmen und Sauerstofftherapie unser Wohlbefinden steigern

Nichts ist so selbstverständlich wie das Atmen. Es steht am Anfang aller lebens­notwendigen Prozesse im Körper und ist damit elementar für unsere Gesundheit. Grund genug, mal mehr darauf zu achten und bewusst zu atmen. Denn selbst damit können wir unseren Körper unterstützen.

12 bis 15 Atemzüge macht ein erwachsener Mensch pro Minute. Das sind bis zu 21.600 Atemzüge, die wir jeden Tag im Ruhezustand machen. Es geschieht meistens unbewusst, weswegen wir uns selten damit beschäftigen.

Wieso atmen wir eigentlich? Vereinfacht gesagt, kann man den Grund des Atmens mit dem Satz „Raus mit dem Alten, her mit dem Neuen“ zusammenfassen. Wir atmen frische, sauerstoffreiche Luft ein, die vom Blut in den ganzen ­Körper gebracht wird. Wenn wir ausatmen, entlassen wir auch verbrauchte, kohlenstoffdioxid­reiche Luft in die Atmosphäre.

Achtsam atmen und den ­Körper kontrollieren

Die Atmung wirkt sich auf unterschiedliche Bereiche unseres Körpers aus. So können wir durch den Rhythmus unserer Atmung unsere Psyche beeinflussen. Atmen wir schneller und in flachen Zügen, steigen unser Puls und die ­Körperkerntemperatur – Faktoren, die typisch für Stress sind.

Dier Atmung hilft uns aber auch, diese Situationen zu vermeiden. Tatsächlich ist sie die einzige Möglichkeit, unseren Blutdruck zu beeinflussen. Durch langsames Ein- und Ausatmen reduzieren wir die Sauerstoffzufuhr des Blutes und zwingen das Herz, langsamer zu schlagen. Somit senkt sich die Menge an sauerstoff­reichen Blutzellen in unserem Körper und das Stresslevel sinkt.

Entspannung und Neu­fokussierung

Deswegen steht die Atmung auch im Zentrum vieler Entspannungsübungen, wie bei dem autogenen Training. Bewusstes Atmen hilft aber nicht nur gegen Stress. So wurde wissenschaftlich festgestellt, dass dadurch auch die Großhirnrinde neu strukturiert wird. Diese Neustrukturierung sorgt für eine Neugewichtung der Dinge. Was ist wichtig? Was ist tatsächlich unwichtig? Das gibt dem Gehirn die Möglichkeit, den Fokus neu zu setzen. Dieser Vorgang erklärt auch, warum wir bewusst durch die Nase atmen sollten, wenn wir uns viele Dinge merken müssen.

Neben der Großhirnrinde profitiert auch der Bereich unseres Gehirns von einer bewussten Atmung, der für die räumliche Vorstellungskraft zuständig ist. Falls Sie also das nächste Mal für einen Wochenendtrip den Kofferraum packen und (mal wieder) nicht alles reinpasst – ein­atmen, ausatmen – dann zeigen sich ganz neue Räume.

Was Stress abbaut, löst auch Blockaden. Viele unserer Verhärtungen in Schulter und Nacken sind psychischen Ursprungs. Wenn wir tief und bewusst atmen, lassen wir los und lockern ­Muskeln und Gelenke. Dadurch können wir ­bleibenden orthopädischen Schäden vorbeugen.

Die Atmung betrifft unseren ganzen Körper. Trotzdem erstaunt es, wenn wir merken, welche Bereiche unseres Körpers wir mit bewusstem Atmen fördern können. Aber was kann getan werden, wenn es damit nicht mehr klappt?

Eine sehr natürliche Therapie

Es wurde bereits erwähnt, dass das Einatmen Sauerstoff in den Körper bringt. Allerdings besteht die Luft, die wir atmen, nur zu 21 %
aus dieser Substanz. Der überwiegende Teil (78 %) ist Stickstoff, während Kohlendioxid und Edelgase nur geringfügig vorhanden sind. Wir können also nur rund ein Fünftel der Atemluft gebrauchen.

Das ist für eine gesunde Lunge kein Problem. Was aber, wenn diese belastet oder der Mensch einer extremen Situation ausgesetzt ist? Dann kann es sein, dass der Sauerstoffgehalt in der Luft nicht mehr ausreicht und es zu schweren Lungenkrankheiten kommen kann.

Ist eine entsprechende Krankheit diagnostiziert, hilft häufig eine Sauerstofftherapie. Dabei wird die Atemluft des Patienten mit Sauerstoff angereichert. Unter einer Sauerstofftherapie wird normalerweise eine Langzeitsauerstofftherapie verstanden. Dabei wird den Patienten über mehrere Stunden oder kontinuierlich Sauerstoff zugeführt, je nach Schwere der Krankheit.

Aber nicht nur bei Lungenerkrankungen, ­sondern auch bei Herzschwäche findet die ­Therapie Anwendung. Ziel der langfristigen Sauerstofftherapie ist die Steigerung der Lebensqualität des Patienten.

Zu unterscheiden ist diese Form der Therapie von der kurzfristigen Sauerstofftherapie, die bei Unfällen und Kohlenmonoxidvergiftung angewendet wird. Bei ihr geht es um das Überleben und Stabilisieren des Patienten. Außerdem gibt es die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie. Es ist ein Verfahren aus der Alternativmedizin, dessen Wirksamkeit aber bislang wissenschaftlich nicht belegt ist.

Häufig wird die Sauerstofftherapie durch eine Nasenbrille, eine Maske oder eine Sonde durchgeführt. Seltener kommt ein Katheter zum Einsatz, der über einen Schnitt in der Luftröhre, unterhalb des Kehlkopfes, in die Lunge eingeführt wird. In der Langzeitsauerstofftherapie wird der Lunge somit immer die gleiche Menge an Sauerstoff über mindestens 15 Stunden hinzugefügt.

Wenn wir unbewusst atmen, sorgen wir dafür, dass unsere Körperprozesse funktionieren. Wenn wir aber bewusst atmen, schaffen wir es, unsere Gesundheit zu fördern. Es lohnt sich also, im Alltag mal innezuhalten und tief ein- und auszuatmen …

Kleine, effektive Atemübungen für Zuhause

Die Lippenbremse

Aufrecht sitzend/stehend oder im Liegen durchführen. Durch die Nase einatmen und beim Ausatmen die Lippen spitzen (stellen Sie sich vor, Sie würden eine Kerze auspusten). 5 x wiederholen.

Die Übung sorgt für eine gezielte Luftdruckerhöhung auf die Bronchien, wodurch die Lunge sich dehnt und etwa der Schleimtransport verbessert wird. Die Übung dient zur Vorbeugung von Atemwegserkrankungen.

Oberkörper aufrichten

Sitzend, mit den Armen locker neben dem Körper hängend. Beim Einatmen werden die Handinnenflächen nach außen gedreht, die Schulter­blätter zusammengebracht und somit eine aufrechte Körperhaltung eingenommen. Beim Ausatmen „fällt“ der Körper dann wieder zusammen. 15 x wiederholen.

Das Aufrichten sorgt für eine Stärkung von Organen und Muskeln. Besonders Lunge und Zwerchfell profitieren davon.

Kutschersitz

Leicht breitbeinig auf einem Stuhl sitzend. Unterarme werden locker auf den Oberschenkeln abgestützt und der Kopf wird leicht nach vorne geneigt. Versuchen Sie, ruhig ein- und auszuatmen.

Der Kutschersitz hilft bei akuter Atemnot. Er erleichtert der Lunge die Atmung und sollte so lange angewendet werden, bis sich die Atmung wieder normalisiert hat. Es ist eine geeignete Übung für Asthma-Patienten.