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»Die Natur kennenlernen«

natürlich HAMM Herbst 2021 – Seite 19 – Lesezeit: ca. 5,5 Minuten

Rubrik: Aus Praxis & Region

Autor: Lukas Rummeny

Naturerlebnispfad

Unterwegs auf dem Naturlehrpfad im Heessener Wald

Die Zeit der Pandemie hat nicht nur dafür gesorgt, dass wir von alten Gewohnheiten ablassen mussten, sondern auch dafür, dass wir welche für uns entdeckt haben. So stellte für viele das klassische Spazierengehen wieder eine (konforme) Möglichkeit dar, Freunde und Bekannte zu treffen. Ein Gebiet, das sich für Spaziergänge anbietet, ist der Wald. Aber was geschieht dort und auf welche Pflanzen und Tiere trifft man hier? Um diese und ­weitere Fragen zu beantworten, betreiben die Mitglieder vom Heessener Wald e. V. seit 10 Jahren einen Naturlehrpfad.

Früher war der Wald für Friedrich Moor eher eine lästige Pflicht als eine Leidenschaft. „Jeder Sonntagsspaziergang mit meinen Eltern führte durch den Wald“, erinnert sich der 74-Jährige und lacht. „Später, als Jugendlicher, konnte ich ihn nicht mehr sehen und habe mich von diesem Thema erst mal ferngehalten.“ Trotzdem hat ihn der Wald nie so ganz losgelassen. So trat Moor, der auch über viele Jahre die Kommunalpolitik in Heessen mitgestaltet hatte, in den Verein Heessener Wald e. V. ein und wurde dessen Vorsitzender. „In meiner Kindheit habe ich gelernt, welche Tiere im Wald leben und wie man sich dort verhält“, erzählt er. „Das ist etwas, was jüngere Generationen nicht mehr selbstverständlich lernen.“

Als Beispiel nennt der ehemalige Lehrer eine Fackelwanderung, die er mit seinen Schülerinnen und Schülern unternahm. „Die Kinder kamen aus Heessen und Umgebung, aber im heimischen Waldgebiet kannten sie sich nicht aus.“ Da merkte er, dass der Wald nicht mehr zur Allgemeinbildung der Schüler gehörte. Eine Fragerunde im Unterricht erhärtete seine Vermutung. „Lediglich ein Junge aus Marokko gab an, regelmäßig mit seiner Familie im Wald zu sein, weil der keinen Eintritt kostet“, erinnert sich Friedrich Moor.

Eine Klassenfahrt als Initialzündung

Auf einer Klassenfahrt auf die Burg Altena hat er dann einen Naturlehrpfad gesehen. „Der Pfad war sehr liebevoll und informativ gestaltet. So etwas wollte ich dann auch in unserem Heessener Wald verwirklichen.“ Nach der Klassenfahrt hat Friedrich Moor schriftlich Kontakt zur Sparkasse Lüdenscheid aufgenommen, die den Lehrpfad bei Altena unterstützte, und begann mit der Akquise für den Weg in Heessen.

Ideen für die Stationen wurden gesammelt, Texte für die Info-Tafeln geschrieben und Überzeugungsarbeit bei möglichen Geldgebern geleistet. „Wir sind ein kleiner Verein. Allein hätten wir daher die Summe zur Errichtung und zur Pflege des Naturlehrpfads nicht stemmen können“, sagt Moor. „Deswegen freuen wir uns sehr über die Unterstützung aus der heimischen Wirtschaft.“ Seit 2011 bringt der Lehrpfad, der an den alten Stationen des Trimm-dich-Pfads entstanden ist, den Besuchern das Ökosystem Wald näher.

Naturerlebnispfad

Von Pflanzen, Tieren und Menschen

Los geht es am Parkplatz der Waldbühne. Über eine Wegstrecke von 2,1 Kilometern sind zehn Stationen gestaltet, die den Wald als Erlebnisort und Lebensraum anschaulich vorstellen. 

Regelmäßig gehen der Ehrenvorsitzende Friedrich „Friedel“ Moor und der erste Vorsitzende vom Heessener Wald e. V., Friedrich Wilhelm Wickord, in Begleitung von Hund Ben, den Naturlehrpfad ab. An der ersten Station ist eine Baumscheibe befestigt, die es dem Besucher ermöglicht, das Alter des Baumes zu ermitteln. Gepflanzt im Jahr 1912, hat der stolze Baum über ein Jahrhundert im Wald gestanden. „Er hat sogar die Epoche überlebt, in der Heessen die Stadtrechte hatte“, sprach Wickord über die Zeit zwischen 1964 und 1974. Tatsächlich wird dem Besucher vor Augen geführt, wie lange der Wald bereits existiert und dass wir Menschen nur einen kleinen Teil seines Lebens mitbekommen. „Dies ist vielen Leuten nicht bewusst“, erzählt Wickord. „Bei genauer Betrachtung der Umgebung merken viele erst, wie unbedeutend sie in Bezug auf Zeit und Lebensraum sind.“

Neben der Flora hat aber auch die Fauna ihren Platz auf dem Pfad. So werden etwa das Eichhörnchen und der Specht mit einer eigenen Station geehrt. „Die Arbeit dieser beiden Spezies ist wichtig für den Fortbestand des Waldes“, sagt Moor. So verstecke ein Eichhörnchen für seinen Wintervorrat mehr Eicheln, als es später finde.

Die gut vergrabenen restlichen Eicheln wachsen zu neuen Bäumen heran. An den entsprechenden Stationen können die Kinder mit Ferngläsern ein künstliches Eichhörnchen oder einen künst­lichen Specht entdecken. „Viele haben uns schon gefragt, weswegen wir zwei künstliche Tiere auf die Bäume gesetzt haben“, erzählt Wickord. „Es bringt nichts, wenn wir einem Tier eine Station widmen und es nicht zu sehen ist. Da die Tiere im Wald ihren eigenen Rhythmus haben, können wir Menschen nicht bestimmen, wo sie wann zu sein haben.“ Diesen Rhythmus anzuerkennen und zu respektieren, gehöre zum vernünftigen Umgang mit dem Ökosystem Wald.

Echte Waldtiere gibt es im Wildbienenhotel des Pfades zu sehen. Dort liegen Backsteine, deren Löcher mit Schilfröhrchen gefüllt wurden. Friedrich Moor erklärt die Funktion des Hotels. „Die Wildbienen legen ihre Larven in die Röhrchen und lassen sie hier gedeihen. Irgendwann kommen neue Bienen aus dem Hotel, die sofort zu den nahen Wildblumen fliegen.“

Zwischen Entspannung und Aktivität

Dass der Wald aber auch ein Ort der Stille sein kann, beweist die Traumliege. Die Besucher können sich auf die Liege legen und in die Baumwipfel blicken. „Es ist ein Ort der Entspannung“, erklärt Friedrich Moor. „Die Menschen sollen verweilen, tief durchatmen und die Seele baumeln lassen.“ Tatsächlich ist man an diesem Ort ein wenig isoliert. Es ist nur der Wind zu hören und die Sonne zu sehen, die beide ihren Weg durch die Äste suchen. Viel größer könnte der Kontrast zu unserem von Reizüberflutungen geprägten Alltag nicht sein.

Wenn es eine Station zur Entspannung gibt, sollte auch Aktivität nicht fehlen. Die gibt es etwa bei der Weitsprunggrube des Lehrpfads. Holzstämme als Umrandung und Rindenmulch anstelle von Sand sind die einzigen Unterschiede, die die Anlage im Heessener Wald von denen an den Sportplätzen unterscheiden. Am Rand stehen, in verschiedenen Abständen, Schilder mit Waldbewohnern. „Die Schilder zeigen, wie weit die entsprechenden Tiere im Wald springen können“, erklärt Friedrich Wilhelm Wickord. „Die Besucher können sich hier mit den Tieren vergleichen.“

Nicht nur für kleine Waldentdecker geeignet

Auch wenn der Naturlehrpfad für Kinder und Jugendliche konzipiert ist, gibt es entsprechende Angebote für Erwachsene. So hat der Verein den Kontakt zur Diplom-Biologin Birgit Stöwer erstellt, die regelmäßig Gruppen über den Naturerlebnispfad und durch den Heessener Wald führt. Eine Zusammenarbeit, die Friedrich Wilhelm Wickord sehr schätzt. „Frau Stöwer kann als Wissenschaftlerin noch einmal einen ganz anderen Blickwinkel in das Thema Wald einbringen“, erzählt er. „Sie verfügt über ein ­tieferes Wissen als wir, weswegen wir ihr auch sehr dankbar sind.“

In der Corona-Zeit ist die Zahl der Menschen, die den Heessener Wald und den Naturlehrpfad besuchen, gestiegen. Allerdings hat diese Entwicklung eine negative Seite. „Die Tatsache, dass in den letzten anderthalb Jahren mehr Menschen als sonst den Naturlehrpfad genutzt haben, hat leider auch einen Anstieg des Vandalismus mit sich gebracht“, hält der Ehrenvorsitzende fest. Trotzdem sei es ein Fehler, den Menschen vom Wald fernzuhalten. „Der Wald ist auch Teil unseres Lebensraumes. Wir müssen ihn kennenlernen und verstehen, wie wir mit ihm und der Natur richtig umgehen.“

Mehr Informationen über den Verein Heessener Wald e. V. und den Naturlehrpfad erhalten Sie hier: https://www.heessener-wald.de